Ein Vierteljahrhundert in der Flasche: Meine Begegnung mit dem Bunnahabhain 25 Jahre
Der erste Moment mit der Flasche
Als ich die Flasche zum ersten Mal sah, hatte ich sofort das Gefühl, dass hier etwas Besonderes auf mich wartet. Nicht wegen einer auffälligen Verpackung oder grellen Farben – im Gegenteil. Die Schlichtheit der dunklen Flasche, das solide Holz der Box, das zurückhaltende Etikett. Alles daran wirkte ehrlich. Keine Effekthascherei, sondern Ruhe. Und das passte irgendwie zu dem, was ich über diesen Whisky gehört hatte.
Es war ein ruhiger Abend. Kein Anlass, kein Besuch, keine Verpflichtung. Ich wollte mir einfach etwas gönnen. Und als ich die Flasche öffnete, war da dieses dumpfe „Plopp“, das in stillen Räumen besonders wirkt. Ich roch am Korken. Schon da spürte ich, dass dieser Whisky etwas Geduld brauchen würde. Keine Wucht, kein aufdringlicher Alkohol – sondern ein komplexes Versprechen.
Eine Brennerei auf Islay, die anders denkt
Wer bei Islay sofort an Rauch denkt, liegt bei dieser Abfüllung daneben. Bunnahabhain zeigt, dass es auch ohne Torf geht. Die Brennerei liegt im Norden der Insel, abgeschieden und direkt am Wasser. Vielleicht ist es genau diese Lage, die dem Whisky seine salzige Note mitgibt. Ich hatte schon einiges von Bunnahabhain probiert, aber die 25-jährige Abfüllung war Neuland für mich.
Was ich an dieser Brennerei schätze, ist ihre Eigenständigkeit. Während viele Islay-Brennereien auf Rauch und Torf setzen, bleibt Bunnahabhain oft zurückhaltend. Das wirkt nicht rebellisch, eher bedacht. Man hat das Gefühl, die Brennerei weiß genau, was sie tut – und tut es trotzdem anders. Das gefällt mir. Es ist ein bisschen wie ein Musiker, der nicht auf der Bühne brüllt, sondern mit kleinen, feinen Tönen überzeugt.
25 Jahre Reife: Das verändert einiges
Ein Vierteljahrhundert. Man vergisst leicht, was das bedeutet. Ich habe überlegt: Wo war ich vor 25 Jahren? Was hat sich seitdem verändert? Und dann stellt man sich vor, wie dieser Whisky all die Jahre im Fass lag. Kein Licht, keine Eile. Nur Zeit, Holz, Temperatur, und natürlich das Fass selbst. Ein großer Teil reift in ehemaligen Bourbonfässern, ein kleiner in Sherryfässern. Das Ergebnis? Eine Tiefe, die man nicht erklären kann – man muss sie schmecken.
Die Kunst der Reifung besteht darin, Geduld zu haben. Kein Brennmeister weiß genau, wie sich ein Whisky über so eine Zeit entwickelt. Man kann vermuten, prüfen, riechen, probieren – aber das Holz macht, was es will. Und genau das ist faszinierend. Es ist ein Tanz zwischen Kontrolle und Vertrauen.
Was ich an der Reifung in Sherryfässern besonders schätze, ist die subtile Fruchtigkeit, die sie mit sich bringt. Kein überladener Sherry-Ton, sondern eine feine, weinige Tiefe. Und die Bourbonfässer? Sie liefern die Basis: Vanille, Eiche, eine gewisse Trockenheit. Diese beiden Fassarten ergänzen sich gut – zumindest in diesem Fall.
Und man darf nicht vergessen: Das maritime Klima spielt eine Rolle. Diese feuchte, salzige Luft, die an die Fässer schlägt, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Das ist keine Legende. Ich war selbst einmal dort, vor Jahren, und ich erinnere mich, wie die Luft an der Haut klebte. Genau das spiegelt sich später im Glas wider.
Die Nase: Maritim und doch süß
Beim ersten Schnuppern hatte ich sofort den Geruch von feuchtem Holz in der Nase. Nicht muffig, eher wie ein alter Bootssteg nach dem Regen. Dazu kam Vanille, ein bisschen Trockenobst, leicht nussig. Und dann – ganz plötzlich – eine Brise Salz. Ich musste an die Küste denken, an nasse Steine und Seetang. Klingt vielleicht seltsam, aber es war genau dieser Mix, der mich neugierig gemacht hat.
Ich ließ mir Zeit. Man sollte bei einem Whisky wie diesem nicht hetzen. Ich nahm ein zweites Glas, ein bisschen größer, ließ Luft ran. Und dann kam mehr: Honig, Leder, etwas wie Tabak. Nichts davon laut, alles fein verwoben. Ich hatte das Gefühl, der Whisky spricht eine Sprache, die man nur versteht, wenn man zuhört.
Und dann war da diese tiefe Süße. Kein Karamell wie bei vielen anderen, sondern eher getrocknete Feigen, Rosinen, vielleicht ein Hauch kandierter Orangenschale. Ich habe das Glas sicher zehn Minuten in der Hand gehalten, bevor ich den ersten Schluck nahm. Einfach, weil es so viel zu entdecken gab.
Der erste Schluck: Sanft, aber nicht langweilig
Man erwartet viel bei einem Whisky, der 25 Jahre Zeit hatte. Und dieser hier enttäuscht nicht. Er legt sich weich auf die Zunge, hat etwas Öliges, fast Cremiges. Süße Früchte – vielleicht getrocknete Aprikosen? Dann Nüsse, geröstet, und eine ganz feine Holznote. Kein Holzhammer, sondern eher ein gut gealterter Tisch aus Eiche. Ich habe den Schluck lange im Mund behalten, einfach um zu sehen, was noch kommt. Und da war noch was: eine leichte Pfefferschärfe im Abgang. Dezent, aber genau richtig.
Mit jedem weiteren Schluck eröffnete sich ein neues Detail. Mal eine Spur Orange, dann wieder etwas Malziges, das fast an Keksteig erinnerte. Kein Aroma stand im Vordergrund, aber alles war da. Und das machte es spannend. Ich wollte nicht nebenbei trinken. Ich wollte mich hinsetzen und zuhören.
Ich erinnerte mich plötzlich an meine erste Reise nach Schottland. Diese feuchten Abende, an denen man sich in einen Pub setzt, ein dram bestellt, und einfach nur dasitzt. Genau dieses Gefühl kam zurück. Ich war nicht in meiner Wohnung, ich war wieder auf Islay.
Der Nachklang: Bleibt, aber nervt nicht
Was mir besonders gefallen hat, war der lange Nachklang. Oft hat man das Gefühl, der Alkohol bleibt nur, weil er stark ist. Hier war das anders. Der Geschmack blieb – aber nicht aufdringlich. Eher wie eine gute Erinnerung an ein Gespräch, das man noch ein bisschen mit sich herumträgt. Holz, ein Hauch dunkle Schokolade, etwas Salz. Kein Spektakel, sondern Ausklang.
Ich habe den letzten Schluck bewusst ganz langsam getrunken. Fast ehrfürchtig. Und danach war ich einfach still. Kein Handy, kein Fernseher, nur ein ruhiger Abend mit einem Glas, das mir viel erzählt hat.
Und was bleibt danach? Ein Gefühl. Keine Euphorie, kein Staunen – eher Zufriedenheit. Als hätte man ein gutes Buch zu Ende gelesen.
Ist der Preis gerechtfertigt?
Rund 360 Euro. Das ist eine Menge Geld. Und ich verstehe jeden, der sagt: „Dafür bekomme ich zehn andere Flaschen.“ Klar. Aber: Wer einen besonderen Whisky sucht, einen mit Geschichte und Geduld, der bekommt hier etwas Solides. Kein Showstar, sondern ein ruhiger Begleiter für späte Stunden. Ich würde ihn nicht jeden Monat kaufen – aber ich habe es nicht bereut.
Es ist ein Whisky für bestimmte Momente. Für Menschen, die sich die Zeit nehmen wollen. Für Abende, an denen man nichts erwartet – und dann überrascht wird. Und für die eigene Erinnerung. Denn ich bin sicher, ich werde mich auch in Jahren noch an diesen ersten Abend mit dem Bunnahabhain 25 Jahre erinnern.
Was man beim Preis auch bedenken sollte: Die Produktionsmenge. 25 Jahre lang muss Platz geschaffen, gepflegt und investiert werden. Das schlägt sich im Preis nieder. Und dennoch: Es gibt deutlich teurere Whiskys, die deutlich weniger erzählen.
Mein persönliches Fazit
Der Bunnahabhain 25 Jahre ist kein Whisky, der sich aufdrängt. Er kommt leise daher, aber er bleibt. In der Nase, auf der Zunge, im Gedächtnis. Ich habe selten einen so runden und gleichzeitig spannenden Single Malt getrunken. Wer Zeit mitbringt und sich auf die Aromen einlässt, wird belohnt. Und vielleicht denkt man zwischendurch mal daran, was in 25 Jahren alles passieren kann – während irgendwo in Schottland schon der nächste Jahrgang reift.
Ich werde diesen Whisky nicht vergessen. Nicht, weil er laut war. Sondern weil er mir gezeigt hat, wie gut Zurückhaltung schmecken kann. Und das ist vielleicht das Beste, was ein Whisky tun kann.
Und irgendwann, wenn diese Flasche leer ist, werde ich sie wahrscheinlich aufbewahren. Nicht wegen des Wertes. Sondern wegen der Geschichte. Meiner Geschichte mit einem Whisky, der leise war – und gerade deshalb so stark.