Bunnahabhain Stiùireadair Whisky

Mein erster Kontakt mit dem Bunnahabhain Stiùireadair Whisky

Der Bunnahabhain Stiùireadair Whisky stand eines Abends wie zufällig vor mir. Ein Freund hatte ihn mitgebracht, weil er wusste, dass ich Islay Whiskys bevorzuge. Der Name war mir zwar schon begegnet, aber probiert hatte ich ihn nie. Die Flasche wirkte schlicht, aber nicht billig. Kein Firlefanz, keine übertriebene Selbstinszenierung. Genau mein Stil.

Was der Name verrät

Stiùireadair. Schottisch-Gälisch für „Steuermann“. Das passt gut, denn der Whisky führt einen sensorisch durch eine spannende Reise. Anders als viele andere Abfüllungen der Brennerei ist diese Variante nicht rauchig. Wer also ein torfiges Monster erwartet, wird hier nicht fündig. Und das ist auch gut so. Denn dieser Tropfen hat eine eigene Richtung eingeschlagen.

Herkunft und Herstellung

Die Brennerei Bunnahabhain liegt an der Nordostküste Islays. Abgelegen, direkt am Sound of Islay. Dort weht der Wind fast ständig. Und genau das prägt den Charakter der Whiskys von dort. Der Stiùireadair reift in einer Kombination aus First-Fill- und Refill-Sherryfässern. Exakt angegeben wird das Verhältnis nicht. Aber der Einfluss des Sherry ist unübersehbar. Die Farbe, die Nase, der Geschmack – sie alle sprechen diese Sprache.

Erste Eindrücke im Glas

Beim Einschenken zeigt sich ein natürlicher Farbton. Kein zu dunkler Bernstein, sondern ein helleres Mahagoni. Es ist keine Zuckerkulör enthalten. Auch auf Kältefiltrierung wurde verzichtet. Das spricht für Vertrauen in das Produkt. Die Viskosität im Glas ist mittel bis hoch, was auf einen guten Alkoholgehalt und ausreichend Reifung hinweist. 46,3 % vol. Alkohol hat er, und das schmeckt man auch.

Die Nase: Frisch, salzig, nussig

In der Nase gibt er sich komplex. Kein dominanter Antritt, sondern ein vielschichtiges Zusammenspiel. Es beginnt mit salziger Meeresluft, die an einen Spaziergang über nasse Felsen erinnert. Dann kommen Mandeln, karamellisierte Nüsse und getrocknete Früchte. Rosinen vielleicht, aber nicht die übersüßen Supermarktversionen. Sondern eher die Sorte, die in Omas Gewürzregal vergessen wurde und genau dadurch an Tiefe gewonnen hat. Dazu schleicht sich manchmal ein Hauch dunkler Schokolade ein, nicht bitter, sondern angenehm rund.

Der erste Schluck

Im Mund zeigt sich die Wirkung der Sherryfässer. Trockenfrüchte, Walnüsse, ein Hauch Orange. Und dann etwas, das ich erst nicht zuordnen konnte: ein leicht würziger, fast pfeffriger Unterton. Nicht aufdringlich, sondern begleitend. Die Konsistenz ist cremig. Kein wässriger Tropfen, sondern einer mit Volumen. Der Alkohol ist gut eingebunden und brennt nicht. Im Verlauf entwickelt sich eine gewisse Mineralität, als wäre da ein Hauch von feuchtem Stein. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen Frucht und Würze, das neugierig macht.

Der Abgang: Lang und salzig

Was bleibt, ist eine gewisse Salzigkeit. Kein Jod, kein Medizinschrank, sondern etwas, das an Meeresgischt erinnert. Dazu ein trockenes Gefühl auf der Zunge, wie nach einem guten Espresso. Der Nachhall ist lang, aber nicht aufdringlich. Es bleibt Lust auf einen zweiten Schluck. Nach einigen Minuten spürt man erneut die Walnüsse, begleitet von einer leichten Eichennote. Dezent, aber merklich.

Vergleich mit anderen Whiskys von Islay

Wer Islay sagt, denkt an Rauch. Laphroaig, Ardbeg oder Lagavulin sind Namen, die oft zuerst fallen. Doch Bunnahabhain geht einen anderen Weg. Der Stiùireadair ist das Gegenstück zu den rauchigen Platzhirschen. Nicht besser, nicht schlechter. Einfach anders. Und gerade das macht ihn für Liebhaber interessant, die nach Abwechslung suchen. Wer Bruichladdich mag, dürfte hier auf ähnliche Weise angesprochen werden. Beide Brennereien zeigen, dass Islay auch anders kann.

Preis-Leistung: Fair kalkuliert

In vielen Shops liegt der Preis bei etwa 35 bis 45 Euro. Dafür bekommt man einen Whisky, der nicht künstlich gepusht wurde. Kein Fancy-Design, keine sinnlosen Awards auf dem Etikett. Nur ehrlicher Whisky. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist gut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich nicht um eine Massenabfüllung mit Standard-Rezept handelt. Ich habe in dieser Preisklasse selten einen Tropfen gefunden, der so ausbalanciert wirkt.

Der Bunnahabhain Stiùireadair Whisky in Blindverkostungen

Ich habe ihn einmal im Rahmen einer Blindverkostung mitgebracht. Unter den Teilnehmern waren sowohl Einsteiger als auch Kenner. Interessanterweise schnitt er bei beiden Gruppen überdurchschnittlich ab. Viele konnten ihn nicht zuordnen. „Kommt der aus den Highlands?“ fragte jemand. Das zeigt, wie ungewöhnlich er für einen Islay-Whisky ist. Ein anderer vermutete sogar einen Speyside-Hintergrund, was nicht völlig abwegig ist, wenn man die Fruchtigkeit bedenkt.

Wann trinke ich ihn?

Es gibt Whiskys, die zu bestimmten Anlässen besser passen als zu anderen. Diesen hier genieße ich gern abends, wenn ich Ruhe habe. Nach dem Essen, ohne Ablenkung. Kein Partywhisky, sondern einer für Momente, in denen man sich bewusst auf Aromen einlassen möchte. Besonders an kühleren Abenden, wenn man etwas Gediegenes im Glas haben will.

Wem würde ich ihn empfehlen?

Jemandem, der Whisky schon kennt, aber nicht bei jeder Flasche von Rauch erschlagen werden will. Auch für Fortgeschrittene, die die Nuancen von Sherryfass-Reifungen schätzen. Er ist nicht laut, aber auch nicht belanglos. Ein Zwischenton, der sich behaupten kann. Wer bisher nur rauchige Islay-Whiskys kennt, wird überrascht sein, was diese Insel sonst noch zu bieten hat.

Die Brennerei Bunnahabhain: Eine kurze Reise zurück

Gegründet wurde Bunnahabhain im Jahr 1881. Der Name bedeutet übersetzt so viel wie „Mündung des Flusses“. Die Lage ist abgelegen, die Anfahrt beschwerlich. Aber genau das macht sie aus. Lange Zeit produzierte man dort ausschließlich für Blends. Erst später erkannte man das Potenzial der eigenen Single Malts. Heute gehört die Brennerei zur Distell Group und produziert sowohl ungetorfte als auch stark getorfte Whiskys. Der Stiùireadair gehört zu den jüngeren Abfüllungen.

Fassmanagement und Reifung

Sherryfässer spielen bei diesem Whisky die Hauptrolle. Die genaue Herkunft dieser Fässer wird nicht immer offen kommuniziert, aber es handelt sich in der Regel um europäische Eiche. Der Einfluss ist merklich, ohne zu dominieren. Es entsteht eine Balance, die vielen Sherryfass-Reifungen fehlt. Kein klebriger Sirupgeschmack, sondern eine würzige Tiefe.

Mit Speisen kombiniert

Ich habe den Stiùireadair einmal mit dunkler Schokolade (70 % Kakao) getrunken. Das Zusammenspiel war erstaunlich gut. Auch zu Hartkäse passt er, besonders wenn dieser leicht salzig ist. Was nicht funktioniert hat: Scharfe Gerichte. Die Würze überdeckt die Feinheiten. Besser sind Nüsse oder milde Tapas.

Fazit: Eine Entdeckung, die bleibt

Der Bunnahabhain Stiùireadair Whisky hat mich überrascht. Ohne viel Lärm tritt er auf, aber er bleibt im Gedächtnis. Wer ihm Zeit gibt, bekommt viel zurück. Nicht nur in Aromen, sondern auch in Charakter. Und das ist für mich der Grund, warum ich ihn inzwischen immer auf Vorrat habe.