Glenfiddich Project XX: Ein Experiment, das sich lohnt
Es gibt Whiskys, die fallen einem sofort ins Auge. Und dann gibt es welche, die eine Geschichte erzählen. Glenfiddich Project XX gehört definitiv zur zweiten Sorte. Als ich zum ersten Mal davon hörte, war ich skeptisch. Ein Whisky, der von 20 Experten mitgestaltet wurde? Konnte das überhaupt funktionieren oder wäre es am Ende ein Sammelsurium ohne klare Linie? Ich musste es herausfinden.
Die Idee hinter Project XX: Ein neuer Ansatz in der Whiskywelt
Glenfiddich ist für viele der Inbegriff eines soliden schottischen Single Malts. Traditionell, aber nicht langweilig. Doch mit der Experimental Series haben sie gezeigt, dass sie auch anders können. Das Project XX ist Teil dieser Serie, und die Idee dahinter ist ebenso simpel wie genial: 20 Whisky-Experten aus verschiedenen Ländern durften je ein Fass aus dem Warehouse des Unternehmens auswählen. Glenfiddichs Malt Master Brian Kinsman nahm diese 20 Fässer und kreierte daraus eine neue Abfüllung.
Das Besondere daran? Normalerweise ist die Auswahl eines Fasses eine hochwissenschaftliche Angelegenheit. Master Blenders entscheiden nach bestimmten Kriterien, welche Fässer für eine neue Abfüllung in Frage kommen. Hier wurde das Konzept einfach auf den Kopf gestellt. 20 Experten wählten nach Bauchgefühl, nach ihrer eigenen Vorstellung von einem perfekten Whisky. Und genau das macht Project XX so spannend.
Die Fassauswahl: Eine Vielfalt, die sich schmecken lässt
Whisky lebt von der Fassreifung. Jede Holzart, jede vorherige Nutzung verändert das Endprodukt. Bei Project XX kamen verschiedene Fassarten zusammen:
- Bourbon-Fässer für Vanille- und Karamellnoten
- Sherry-Fässer für Fruchtigkeit und würzige Tiefe
- Portweinfässer für dunkle Beerenaromen
- Neue Eichenfässer für eine deutliche Holzwürze
Das Ergebnis? Ein Whisky, der viele Facetten hat, ohne dabei unausgewogen zu wirken. Während einige Single Malts eine klare Richtung haben – sei es rauchig, fruchtig oder würzig – vereint Project XX verschiedene Stilrichtungen auf harmonische Weise. Die Balance zwischen den unterschiedlichen Noten ist das, was diesen Whisky so spannend macht.
Die Kunst der Blendung: Wie aus 20 Fässern ein einheitlicher Whisky wurde
Ein Whisky, der aus 20 unterschiedlichen Fässern besteht, könnte schnell chaotisch schmecken. Hier kommt die Arbeit von Brian Kinsman ins Spiel. Er musste eine Mischung finden, die sowohl die individuellen Charakteristika der einzelnen Fässer hervorbringt als auch eine harmonische Gesamtkomposition bildet. Diese Aufgabe ist keineswegs einfach. Zu viel Sherry-Fass und der Whisky wird übermäßig fruchtig. Zu viel junges Eichenfass, und die Holzwürze dominiert. Kinsman hat hier ein bemerkenswertes Feingefühl bewiesen und eine Balance geschaffen, die sowohl Tiefe als auch Struktur besitzt.
Verkostungsnotizen: So schmeckt Glenfiddich Project XX
Jeder Whiskytrinker hat eine eigene Art zu probieren. Manche achten auf den ersten Eindruck, andere auf den Nachklang. Ich nehme mir gerne Zeit, um alle Nuancen zu entdecken.
Aussehen
Goldene Bernsteinfarbe, leicht ins Kupferne gehend. Man sieht sofort, dass hier verschiedene Fassarten mitgewirkt haben. Die Konsistenz im Glas zeigt eine leichte Öligkeit, die auf einen vollmundigen Geschmack hindeutet.
Nase
Schon beim ersten Riechen merkt man: Hier steckt einiges drin. Frische Birne, Vanille, Honig und ein Hauch von Eiche. Dann kommen dezentere Noten wie Zimt, dunkle Schokolade und eine Spur Röstaromen dazu. Mit etwas Zeit entfaltet sich eine leichte Nussigkeit, die an Haselnüsse erinnert. Interessant ist auch eine dezente florale Note, fast wie Rosenblätter.
Geschmack
Der erste Schluck ist weich, fast cremig. Zuerst kommen süße Noten von Karamell und gerösteten Mandeln, gefolgt von Fruchtaromen – Äpfel, Pflaumen und ein Hauch von Orangenschale. In der Mitte zeigt sich eine gewisse Würze, vielleicht eine Mischung aus Muskat und Nelken. Der hohe Alkoholgehalt (47 %) sorgt für eine angenehme Wärme. Je länger der Whisky im Mund bleibt, desto komplexer wird er. Eine leicht pfeffrige Note und ein Anklang von dunkler Schokolade runden das Bild ab.
Nachklang
Langanhaltend und wärmend. Holzige Noten bleiben im Mund, zusammen mit einer leichten Schokoladenbitterkeit. Auch eine dezente Salznote blitzt auf – vielleicht eine Erinnerung an das Fasslager in der Nähe des Flusses Fiddich. Besonders spannend ist die Veränderung des Nachklangs: Zuerst dominiert das Holz, dann kommt eine milde Süße zum Vorschein.
Wer sollte diesen Whisky probieren?
Project XX ist kein einfacher Einsteiger-Whisky. Die Aromenvielfalt und der relativ hohe Alkoholgehalt machen ihn zu einem Whisky, der bewusst genossen werden sollte. Wer bisher nur leichte, zugängliche Whiskys kennt, könnte hier anfangs überfordert sein. Aber für diejenigen, die gerne neue Aromen entdecken, ist dieser Whisky eine absolute Empfehlung.
Besonders interessant ist er für Genießer, die gerne unterschiedliche Fassreifungen probieren. Wer sowohl fruchtige als auch würzige Whiskys mag, findet hier eine ideale Kombination. Auch Liebhaber von Sherry- oder Portweinfass-gereiften Whiskys dürften auf ihre Kosten kommen.
Verpackung und Design: Ein Blickfang im Regal
Nicht nur der Inhalt ist besonders, sondern auch die Präsentation. Die Flasche kommt in einem dunklen, matten Design daher. Auffällig ist der große Fingerabdruck auf dem Etikett – eine Anspielung darauf, dass 20 verschiedene Menschen diesen Whisky mitgestaltet haben. Die Tube, in der die Flasche steckt, wirkt edel und modern. Wer gerne besondere Flaschen sammelt, wird an diesem Design seine Freude haben.
Fazit: Ein gelungenes Experiment mit Charakter
Glenfiddich Project XX ist ein Whisky, der Mut zur Innovation zeigt. Die Idee, 20 Experten verschiedene Fässer wählen zu lassen, war ein Risiko, hat sich aber gelohnt. Das Ergebnis ist ein komplexer, vielschichtiger Whisky, der nicht nur Kenner begeistert, sondern auch neugierige Genießer auf eine spannende Geschmacksreise mitnimmt. Für mich persönlich war es eine überraschend positive Erfahrung – ein Whisky, den man immer wieder neu entdecken kann. Wer Whisky nicht nur trinkt, sondern erlebt, sollte sich diesen Tropfen nicht entgehen lassen.